8. Mai 1945 - 8. Mai 2005:
Nachsatz zur Vorgeschichte
Von Axel Azzola, Jüdische
Korrespondenz Juni 2005
Am 8. Mai 1945 endete mit der bedingungslosen
Kapitulation der Deutschen Wehrmacht der vom
Deutschen Reich zu verantwortende 2. Weltkrieg
und damit jene nationalsozialistische Barbarei,
die, gestützt auf eine anfängliche militärische
Übermacht, insbesondere Juden und Zigeuner
mit Mord und Totschlag bedroht sowie Furcht
und Schrecken zeitweilig über nahezu den ganzen
europäischen Kontinent ausgebreitet hatte.
Mit diesem Deutschen Reich war am 8. Mai 1945
ein Feind der Menschheit untergegangen. Millionen
von Toten waren als Opfer deutschen Terrors
zu betrauern. Zugleich verwundert es nicht, dass
die Brutalität des Krieges und die Barbarei des
den Alliierten nicht verborgen gebliebenen Völkermordes
unangemessene Reaktionen auch auf
der Seite der Alliierten begünstigten, weshalb
eine moralische Mitverantwortung für Regelverletzungen
wie die durch nichts militärisch zu
rechtfertigende Bombardierung von Dresden und
die Vergewaltigung von Frauen insbesondere an
der »Ostfront« auch die Reichsregierung trifft. Es
verwundert auch nicht, dass die Mehrzahl der
Deutschen die Kapitulation nicht als »Befreiung«
sondern bestenfalls als ein Ende ihrer Angst empfanden,
dem Krieg doch noch zum Opfer zu fallen.
Nur wenige Deutsche konnten von dem Sieg der
Alliierten persönliche Vorteile erwarten, während
viele Grund genug hatten, sich vor einer Rache der
Sieger und der Überlebenden unter den Opfern zu
fürchten. Schließlich kam es ja auch zu einer Vertreibung
von fast 10 Millionen Deutschen und in
einigen Fällen zu lynchartigen Übergriffen. Schön
war das für die Besiegten sicherlich nicht. So erlebt
die Mehrzahl der Deutschen bis heute den
Tag der Kapitulation auch im Rückblick als den
Tag einer Niederlage und nicht als den Tag auch
ihrer Befreiung und die eigenen Opfer dieses Krieges
standen ihnen immer klarer vor Augen als jene
Opfer, deren sie sich hätten schämen müssen.
Deshalb brauchte es lange Zeit, bis ein Bundespräsident
1985 unmissverständlich auf die deutsche
Ursächlichkeit und damit Mitverantwortlichkeit
auch für diese Folgen des Krieges hinwies.
Diese Rede war eine mutige Tat, und gerade
die Erforderlichkeit dieses Mutes ist es, die uns
nach wie vor bedrückt.
Sicherlich gedenken auch wir Juden der Opfer des
deutschen Volkes. In erster Linie gedenken wir jener
lauteren Menschen, die, wie die Angehörigen
der »Weißen Rose« den Einsatz für ihre der
Menschlichkeit geschuldeten Ideale mit ihrem
meist jungen Leben bezahlten. Wir gedenken
auch aller Opfer des politischen und des gegen
diesen Krieg und die Nazibarbarei gerichteten
militärischen Widerstandes und wir gedenken
der Menschen, die ihr Leben opferten oder riskierten,
als sie Verfolgte verbargen und ihnen so
oder anders zur Seite standen. Das Gedenken an
diese Gerechten soll in unseren Herzen bewahrt
sein und sie seien gesegnet von Generation zu
Generation, ein Dank bis ins 70. Glied.
Wir verdrängen
auch nicht die Tatsache, dass es deutsche
Opfer alliierten Kriegsunrechts gab. Aber wir
sind betrübt darüber, dass Menschen noch heute
das Bedürfnis haben, unter Vernachlässigung
des universellen Ursachenzusammenhangs zwischen
der von Deutschland und von Deutschen
teils befohlenen, teils selbst begangenen Barbarei
und auch diesen deutschen Opfern so zu tun, als
ob es eine Austauschbarkeit von Tätern und Opfern
gäbe, die eine programmatische Gleichartigkeit
des Gedenkens rechtfertigen könnte.
Gerade deshalb war es so wichtig, dass in Berlin
wie in ganz Deutschland Zeitzeugen und Nachgeborene,
vom Faschismus wider damaligen Willen
und dankbar Befreite, an diesem 8. Mai 2005 mit
einem Tag für die Demokratie an die Befreiung
und die Befreier erinnert haben und erinnert worden
sind. Hoffentlich wird das nicht vergessen.
Eine zwiespältige Bilanz:
60. Jahrestag im Spannungsfeld von
Geschichte und Gegenwart
Vielleicht noch zu keinem Jahrestag der Befreiung gab es solch großes
Interesse, so viele Veranstaltungen, politische Kundgebungen,
Demonstrationen und Willensbekundungen von Bürgern dieses Landes, aber
auch von Seiten des Staates...
Rückblick:
Gedenktagtorschlusspanik
Angesichts einer spürbaren Gedenktagtorschlusspanik quoll das 60. Jahr
schon in den ersten Monaten ereignisgesättigt über den eigenen Tellerrand
hinaus...
Max
Mannheimer wurde von der Stadt München mit der Medaille in Gold
"München leuchtet - Den Freunden Münchens" für seine außergewöhnlichen
Verdienste um Aussöhnung und Toleranz geehrt.
Mannheimer, 1920 in Nordmähren geboren, überlebte die
Konzentrationslager Theresienstadt, Auschwitz und Dachau. Er ist
Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau und unermüdlich in der
Aufklärungsarbeit über die Nazi-Zeit tätig, vor allem durch
Führungen im KZ Dachau und Vorträge vor Jugendlichen.
Die Jüdische
Korrespondenz als PDF
Tag für Demokratie / 8. Mai in Berlin
Foto: André Lossin
haGalil.com - 05-06-2005 |