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Beiträge im Mitteilungsblatt des Jüdischen Kulturvereins Berlin e.V. »Jüdische Korrespondenz» 5/2002
zum Thema Israel und Nahost

Warten wir auf den Meschiach?

Von Irene Runge

Als wir aus dem Exil in die DDR kamen, hieß es, »Wer nicht für uns ist, ist gegen uns«. Ich sollte daher nicht mit Kindern spielen, deren Väter Handlanger der Nazis hätten sein können. Heute werden altneue Feindbilder aus Nahost importiert. Gleichzeitig ist der Irrglaube an jüdisches Weltmachtstreben wachgeschüttelt. Einerseits erhält Israels derzeit zum Verzweifeln fragwürdige Politik immer dann Sympathiewerte, wenn palästinensische Selbstmordterroristen jüdische Unschuldige in den Tod sprengen, doch im nächsten Moment kann das Pendel angesichts israelischer Panzer und der entwürdigenden Zustände in den Palästinenserlagern heftig ins Gegenteil umschlagen.

Mich treiben hilfloses Entsetzen, bleierne Wut und grimmige Verzweiflung an. Im Orient ticken die Uhren anders, warnte ein israelischer Diplomat, noch bevor junge Palästinenser kaltschnäuzig zu Terrorbomben umfunktioniert wurden. Es gibt ausreichend Öl-Geld für den Märtyrer-Fanatismus, um die immer jüngeren »Gotteskrieger« systematisch auf ihr mörderisches Ende zu trainieren. In manch anti-israelischer Debatte wird das unter dem Stichwort pro-palästinensische Solidarität zur Nebensache verharmlost. Schwer nachvollziehbar bleibt dennoch, mit welchen Mitteln Israel für seine brutale Kriegsführung in den wiederbesetzten Gebieten um eine politische Legitimation ringt. Sharons Lösungslogik ist die eines ultrakonservativen Militärs aus dem letzten Jahrhundert. Langfristig greift dieses Denken daneben. Hierzulande rächen sich 53 Jahre Verdrängung, Leugnung und Glorifizierung jüdisch-deutscher Geschichte. Alle Juden sind schuld oder alle Araber, und genauso a-historisch wie provokant: in Israel agiere Sharon wie Hitler. Zynisch auch die Frage, ob sich eine SS-Einsatztruppe von Israels Armee unterscheide. Das ist keine Kritik, sondern eine vorgestanzte Meinung.

Der moderne politische Verstand sieht sich der Aufklärung verpflichtet. Doch aus diesem Blickwinkel wird der Territorial- und Glaubenskrieg in Nahost noch unfassbarer. In Deutschland sind Projektionsflächen installiert, verbeissen sich Freunde und Feinde Palästinas und Israels demonstrativ ineinander, anstatt auf Kompromisse und Koexistenz zu setzen. Wenn es so weitergeht, können wir nur auf den Meschiach hoffen.

Keine Kritik am Staate Israel?

Von Ralf Bachmann

Streitgespräche über die Lage in und um Israel erlebt man heute allerorten. Aber das im JKV fiel aus der Rolle, es war - wenn ich mich nicht irre - einmalig. Der Gesandte des Staates Israel, Mordechay Lewy, hatte den Wunsch, mit Vertretern der Bundestagsfraktion der PDS über ihren Antrag »Die Gewaltspirale im Nahen Osten beenden« zu diskutieren und nannte die Veranstaltung, für die er dem JKV ausdrücklich dankte, »eine außergewöhnliche Sache«. Der Abend versprach so manches, aber keine Langeweile. So kamen viele, und durchaus nicht alle, um ihre Zustimmung zur israelischen Politik zu sagen. Einleitend brachte Irene Runge Kerngedanken aus dem Antrag und einen Brief des JKV dazu an die PDS-Abgeordneten zur Kenntnis (Wortlaut rechte Spalte) - und sie verlas ein Fax an den JKV, in welchem in Mecklenburg-Vorpommern lebende Palästinenser in einem Appell mit der Überschrift »Gegen den von Israel begonnenen Terrorkrieg in den palästinensischen Autonomiegebieten der Westbank und des Gazastreifens« protestieren und fünf Forderungen zum »legitimen Befreiungskampf« artikulieren, für den sie die deutsche Bevölkerung zur Solidarität aufrufen. Mordechay Lewy, das war seine diplomatische Pflicht, erläuterte den Standpunkt der israelischen Regierung in der Mischung von Sachlichkeit und Polemik, die er bekanntermaßen gut beherrscht. Er erinnerte an ein Wort von Golda Meir, der Friede werde kommen, »wenn die Palästinenser ihre Kinder mehr lieben, als sie die Israelis hassen«.

Ausgehend von diesem Zitat machte er deutlich, was es bedeutet, wenn die PDS in ihrem Antrag die palästinensischen Selbstmordkommandos einfach verschweigt. Lewy wandte sich auch gegen den von der PDS benutzten Begriff Gewaltspirale, weil er vergessen lässt, wie diese Gewalt angefangen hat. In diesem Zusammenhang richtete er scharfe Angriffe auf Arafat. Er habe nicht nur die Gewalt gewollt, sondern den Krieg. Arafat und andere zielen auf die historische Entscheidung von 1948 zur Gründung des Staates Israel. Wenn der PDS-Antrag die Beendigung aller Gewalthandlungen fordere, so weise Israel die Gleichsetzung zurück, es stimme nicht immer, dass wer nachgibt auch der Klügere ist. Israel habe mit der Räumung des Südlibanon ein Beispiel geben wollen. Aus dem geräumten Land werde es jetzt beschossen, wird nun die »Libanonisierung« des Kernlandes beabsichtigt. Der Gesandte erläuterte das Verhältnis Israels zur UNO als zwiespältig, weil es verhältnismäßig leicht sei, bei Abstimmungen »arabische Mehrheiten« gegen Israel zustande zu bringen. Er betonte in diesem Zusammenhang, Generalsekretär Annan werde als Persönlichkeit geschätzt und geachtet. Lewy begrüßte die Forderung im PDS-Papier, im Nahen Osten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte durchzusetzen, in der arabischen Welt suche man die allerdings vergeblich. Er schloß mit der Aufforderung zu begreifen, dass nur Israel selbst entscheiden könne, ob ein militärischer Schritt ihm hilft oder nicht.

Für die PDS-Bundestagsfraktion nahmen deren Nahost-Experte Harry Grünberg und der Abgeordnete Carsten Hübner Stellung. Beide verteidigten den Antrag nachdrücklich. Grünberg unterstrich, dass die Kritik daran ins Leere treffe. Das Papier ziele auf Verständigung und enthalte auch nicht eine Spur von Antisemitismus. Unter Berufung auf Barenboim und viele andere israelische Staatsbürger konstatierte er, es gebe keine gewaltsame und militärische Lösung des Problems. Diese Feststellung des PDS-Papiers sei eine indirekte Verurteilung des Selbstmordterrorismus. Es sei kein Antisemitismus, wenn man die gegenwärtige Rechtsregierung in Israel kritisiere. Der wirksamste Kampf gegen den islamischen Terrorismus sei, wenn man die katastrophale soziale Lage der Palästinenser verbessere. Scharon sei eine Gefahr namentlich für Israel, der internationale Druck sei gerade deshalb nötig. Hübner bezeichnete die Ausführungen Lewys zur PDS-ResoIution als schockierend und verletzend.

In der Diskussion zeigten sich auch manche Übereinstimmungen. So wurde die Fischer-Initiative alles in allem positiv bewertet. Für deutsche Soldaten könne es bei einer Lösung des Nahost-Problems aus historischen Gründen auf absehbare Zeit in Nahost keinen Platz geben. Wirklicher Frieden könne nur auf dem Wege von Kompromissen herbeigeführt werden. Keine Seite werde alle ihr Forderungen durchsetzen. Ein Diskussionsredner sagte, Arafat gehe es gar nicht um den Palästinenserstaat, sondern um die Zerstörung Israels. Ein anderer machte darauf aufmerksam, dass man nicht die Ursachen aller Probleme bei den Palästinensern suchen dürfe. Viele lägen auch in Israel selbst. Einer der Hauptgründe für die Zeit der Instabilität und ihrer Folgen sei die Ermordung Rabins durch einen israelischen Extremisten gewesen.

»Schön, dass wir uns zusammengefunden haben«, konnte Lewy konstatieren. Israel höre auch auf kritische Stimmen. Die Existenz Israels sei eine Selbstverständlichkeit und nicht verhandelbar. Viele konkrete Probleme vom Wasser bis zu Gebietsaustauschen gehörten auf den Verhandlungstisch. Zu der von Verantwortungsbewußtsein und Ausgewogenheit geprägten Debatte kontrastierten dann und wann irritierend unsachliche Zwischenrufe und »Zischkommentare« von Leuten, die sich offenbar auf einer vorgezogenen Wahlversammlung wähnten. Irene Runge hatte Recht, als sie manche Position und Reaktion als Ausdruck noch immer mangelhaften Verständnisses für die Kompliziertheit der Nahostprobleme wertete.

Nächste JKV-Termine zu Nahost : 2. Mai , 19 Uhr, Ullrich Kinne, Legationsrat I. Klasse und politischer Referent an der Deutschen Botschaft in Israel spricht über Hintergründe der Krise, am 13. Juni, 19 Uhr Prof. Theodor Bergmann über »Parteinahme oder Brückenbau im Nahostkonflikt«.

 

An die Fraktion der PDS im Bundestag

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der Drucksache 14 des Deutschen Bundestages 14. Wahlperiode haben wir Ihren Antrag lesen können, der zu einer Beschlussfassung in Sachen Nahost führen soll. 

Unter der Überschrift »Die Gewaltspirale im Nahen Osten beenden!« verweisen Sie richtig auf die bedrückende Situation und die politischen Notwendigkeiten, eine Lösung nicht nur einzuleiten, sondern ihr durch internationale Mitwirkung zum Erfolg für beide Seiten zu verhelfen.

Was uns mehr als nur irritiert ist, dass Sie in Ihrem Antrag den palästinensischen Terror wie eine zu vernachlässigende Nebenerscheinung behandeln (sowohl in der einleitenden Feststellung als auch in der nachfolgenden Aufforderung Punkt 2), anstatt auf die verheerende Verquickung aus Geschichte und Gegenwart zu verweisen und dabei den inzwischen nicht mehr rational zu deutenden palästinensischen Anteil an der Gewaltspirale in aller Deutlichkeit zu benennen.

Wie auch wir werden Sie fast täglich mediale Zeugen von Selbstmordanschlägen und Bombenattacken jener organisierten palästinensischen Fanatiker, die bei ihrem Selbstmord bewusst kalkulierend Kaffeehausbesucherinnen und –besucher, Marktgängerinnen und -gänger, Synagogenbesucher, Passanten, Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel und Straßen in den Tod reißen. In Ihrer Argumentation vermissen wir das politische Entsetzen und die menschliche Abscheu über diese unsägliche Form, mit der Einzelselbstmörder politische Forderungen prononcieren wollen, über diese verbrecherische Manipulationstaktik, bei der das Leben junger Palästinenser und inzwischen auch Palästinenserinnen brutal eingeplant ist. Das sind keine Zufälle, sondern es hat System. Der Wahnsinn lähmt uns, denn er steht jenseits allen politischen Fassungsvermögens und jeglichen Verstands, der für die Lösung der Krise erforderlich sein wird.

Israels Politik, die uns in vielem nicht gefällt, ist dennoch im modernen Sinne berechenbar. Die selbstmordwilligen jungen Palästinenser aber stehen außerhalb dessen, was nationale wie internationale Diplomatie und politischer Wille vermögen könnten.

Wir hoffen sehr, dass Ihnen die Brisanz Ihrer Enthaltsamkeit (oder falschen Solidarität) bewusst wird. Zu einem Gespräch auch darüber laden wir Sie und Herrn Mordechay Lewy, den Gesandten des Staates Israel in Deutschland. zu einer offenen Diskussion Ihres Antrags an den Bundestag ein....

Denkbare Lösungen im Nahen Osten?

Von Rosa Lewin

Sachlich und nachdenklich war die Atmophäre, als Ralf Bachmann anläßlich des Jom Haazmaut, des israelischen Unabhängigkeitstages, die Frage aufwarf, welche Lösungsmöglichkeiten zwischen Israel und Palästina eigentlich noch denkbar seien.

War im Gespräch mit dem Gesandten Mordechay Lewy erst kurz zuvor deutlich geworden, wie viele Missverständnisse ihre Ursache in reiner Unkenntnis haben, so wurden hier Zahlen und Zusammenhänge angeboten, um manche Voreingenommenheit zu beseitigen. Viele Teilnehmer hatten denn auch Notizbücher auf dem Schoß und schrieben mit. Der Themenkreis war weit gespannt: Wie sind die Dienstzeiten für Männer und Frauen in der israelischen Armee? Wie viele Einwohner hat Jerusalem, wie ist die Bevölkerung von Stadt und Umgebung zusammengesetzt, wächst sie oder geht sie zurück? Wie hoch ist der arabische Anteil an der Bevölkerung Israels? Stimmt es, dass eine Million Israeli erst im letzten Jahrzehnt eingewandert sind, 90 Prozent davon aus den GUS-Staaten? Wie ist das jährliche Pro-Kopf-Einkommen in Israel, an der Westbank und im Gaza-Streifen?

So »statistisch« diese auch Fragen klingen mögen, so menschlich und lebendig waren die Antworten, denn viele der Anwesenden stehen zumindest telefonisch in regelmäßigem Kontakt mit Verwandten und Freunden in Israel und konnten die Zahlen oft mit erschütternden Beispielen aus dem Leben illustrieren.

Aus dem Thema ergaben sich aber auch andere Diskusssionspunkte. Wie es um die erst langsam wieder bemerkbare Friedensbewegung in Israel steht, und dass in Palästina solche Bewegungen lebensgefährlich sind, zu den katastrophalen sozialen Verhältnissen in den Autonomiegebieten, warum sich Jugendliche und sogar Kinder in den Palästinensersiedlungen als lebende Raketen mißbrauchen lassen und welche Berufe die israelische Jugend bevorzugt zum Beispiel.

Zu den Fragen, die einer Lösung entgegenstehen, wurden die palästinensische Flüchtlingsproblematik, die Hoheitsrechte auf dem Tempelberg, die Grenzen der nationalen Gleichberechtigung erörtert. Immer wieder wurde dabei betont, dass es keine Chancen für eine militärische Lösung geben kann. Die Perspektive liege in sicherlich langwierigen Verhandlungen. Keine der beiden Seiten werde dabei alle ihre Forderungen durchsetzen können, jede muß Kompromisse, auch manchen schmerzvollen Verzicht eingehen.

Es werde deshalb schwer sein, Israel den Frieden zu geben, den alle Israelis wollen und den alle Palästinenser brauchen, es werde noch viele Rückschläge in diesem Prozess geben, aber am Ende stehe allein der Sieg der Vernunft, weil er alternativlos ist.

 

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